Furioser Start bei den Eutiner Festspielen – NDR

Furioser Start bei den Eutiner Festspielen

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Die Bühne brennt im wahrsten Sinne des Wortes: Flammen steigen auf. In der Wolfsschlucht ist dichter Nebel. Kaspar (Christian Sist), mit tiefer kräftiger Stimme, sitzt vor einem silbernen Eimer und lässt die teuflischen silbernen Kugeln reinfallen: klack, klack. Er ist umringt von Dämonen in grünen Tarnanzügen. Daneben stehen viele schwarze Gestalten kerzengerade mit Skelettmasken und Zylinder. Max (Daniel Pataky) läuft verzweifelt hin und her, während Darstellerin Susanne Braunsteffer verträumt in ihrem Hochzeitskleid vor der Bühne beim Publikum wie in Trance tanzt. „Die Effekte mit dem Nebel und dem Feuer sind grandios, eine tolle Wolfsschlucht, die dicht am Original bleibt und trotzdem magisch, mystisch wirkt“, so eine Stimme aus Publikum.

 

Noch nie so schön wie heute

„Feuer war damals auch schon“, erzählt Hans Joachim Westphal. Er war vor 65 Jahren als Schüler bei der ersten Premiere dabei. „Damals fiel während der Wolfsschluchtszene ein Baum aus Pappmaschee um“, erinnert er sich. Ein anderer Mann, der ebenfalls damals bei der Premiere dabei war, hat heute Tränen in den Augen: „Ich habe den ‚Freischütz‘ schon überall in der Welt gesehen, aber so schön wie heute in Eutin noch nie.“ Viele der mehr als 1.100 Zuschauer sind begeistert: „Toll“, „mitreißend“ und „Wahnsinnsstimmen“, ist zu hören.

 

Agathe singt in Grund und Boden

Kein Wunder, besonders weil Susanne Braunsteffer als Agathe stimmlich alles gibt: Voluminös, kraftvoll und mit Hingabe trotzt sie – wie auch besonders Julia Bachmann als Ännchen – dem prasselnden Regen mit Inbrunst und Standhaftigkeit. Hauptdarsteller Daniel Pataky kommt da stimmlich nicht ganz hinterher, aber seine Mimik und Gestik verkörpern die Jugend, die Naivität und die Verzweiflung von Max so eindrucksvoll, dass er schauspielerisch hervorsticht. Insgesamt wirkt das Ensemble mit seinen Solisten sehr homogen und stabil.

 

Ein gut geleiteter Chor

Auch der Chor singt größtenteils wie aus einem Guss, wenngleich auch beim Fortissimo manchmal das Feuer oder, genauer gesagt, die Kraft fehlte. Doch dieser Chor, der aus wenigen Profis und vielen Studenten besteht, weiß auch als Jägerchor zu überzeugen, weil ihn eine engagierte Leiterin führt: Doris Vetter, zum ersten Mal in Eutin dabei: „Das ist unglaublich zu sehen, was den Menschen hier in Eutin der ‚Freischütz‘ bedeutet. Dafür lohnt es sich, so hart zu arbeiten.“

 

Tolle Musik trotz Regen

Neben Doris Vetter sorgt Romely Pfund für eine besondere Premiere: Zum ersten Mal wird der „Freischütz“ von einer Frau dirigiert. Die bewegt den Taktstock mit so viel Präzision und Konzentration, dass Orchester und Sänger harmonisch und wie eine Einheit rüberkommen: „‚Der Freischütz‘ hat die eine oder andere Tücke, die zu meistern ist.“ Und das gelingt bei der Premiere ohne Schnörkel. Das Publikum ist von der Musik begeistert, trotz des mehr als eine Stunde andauernden Regens: „Das war richtig schön, da hat der Regen kaum gestört“, „es war ja warmer Regen“, „Regen gehört zu den Festspielen – Ich fand diese Aufführung musikalisch ein Meisterwerk“, lobten die Zuschauer.

 

Drei Frauen für einen Freischütz

Zum ersten Mal bringen drei Frauen in Eutin ein Stück auf die Bühne: Neben Chorleiterin Doris Vetter und Dirigentin Romely Pfund hat Intendantin Dominique Caron alles wunderbar zusammengefügt. Ihr Ziel: die Morbidität im Werk herausarbeiten und moderne Elemente mit Traditionellem verbinden. „Glaube und Aberglaube gibt es auch heute. Ich wollte die Vergänglichkeit und die Gegenwart darstellen mit einer Spur von Modernität“, sagt Caron mit ernstem Blick. Dabei ist ihr ein Stück mit den beiden Kolleginnen gelungen, das zeigt, dass, wenn sich zwei Menschen lieben und wegen gesellschaftlicher Zwänge nicht zusammenkommen, einer etwas Außergewöhnliches schaffen muss. Max ist es gelungen, und den drei Frauen mit dem „Freischütz“ ebenfalls: kurzweilige Unterhaltung.

 

Solide Finanzen

Gute Nachrichten für die Festspiele auch in Sachen Geld: Schleswig-Holstein wird sich nach Angaben von Ministerpräsident Torsten Albig weiterhin finanziell beteiligen: „Die Eutiner Festspiele gehören zum Land wie das Schleswig-Holstein Musik Festival.“ Der Kreis Ostholstein legt noch einen drauf: Landrat Reinhard Sager stellt für dieses Jahr eine einmalige Erhöhung um 10.000 Euro in Aussicht. Ohnehin läuft der Kartenvorverkauf laut Geschäftsführerin Sabine Kuhnert bühnenreif: „Wir haben jetzt schon zwei Drittel der Karten verkauft, die wir in diesem Jahr als Ziel eingeplant haben.“ Grund für den Ansturm auf die Festspiele ist auch die Landesgartenschau in Eutin, die viele zusätzliche Besucher lockt. In diesem Jahr werden neben dem „Freischütz“ noch „Carmen“, der „Vogelhändler“ und ein Stummfilm mit Orchesterbegleitung gezeigt.

 

Autor: Thorsten Philipps

 

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